Photo by Gert Stockmans on Unsplash

© Photo by Gert Stockmans on Unsplash

HomeÜber unsPalliativ aktuellHospiz und Palliative Care

Hospiz und Palliative Care

Was ist Palliativbetreuung? Ist das etwas anderes als Hospiz? Diese Frage stellt sich immer wieder. Alle, die in der Hospiz- und Palliativversorgung arbeiten, sind herausgefordert, darauf eine Antwort zu geben, und zwar nach außen und nach innen.

Hospiz und Palliative Care – zwei Begriffe für ein Konzept?

Was ist Palliativbetreuung? Ist das etwas anderes als Hospiz? Diese Frage stellt sich immer wieder. Alle, die in der Hospiz- und Palliativversorgung arbeiten, sind herausgefordert, darauf eine Antwort zu geben, und zwar nach außen und nach innen.

Dieser Beitrag geht den Wurzeln und der Entwicklung dieser Begriffe nach und versteht sich als der Versuch einer Präzisierung angesichts der Unschärfe an den Grenzen dieser Begriffe, angesichts von Überlappungen und von regional unterschiedlicher Verwendung, als Anregung zur Diskussion.

Der Ursprung

Hospizbewegung und Palliative Care sind die zivilgesellschaftliche und die professionelle Antwort darauf, dass Sterben und Tod aus der Lebenswelt von Menschen und aus den Einrichtungen des Gesundheitssystems im Laufe des 20. Jahrhunderts immer mehr verdrängt wurden.

Der kanadische Arzt Balfour Mount hatte Cicely Saunders im St. Christophers Hospice kennen gelernt. Er wollte den Ansatz, den Cicely Saunders vorgelebt hat, 1974 in Kanada implementieren, aber den Begriff „hospice“ nicht verwenden, weil in Kanada Pflegeheime für verarmte Menschen als „hospices“ bezeichnet wurden. So hat er den Begriff „Palliative Care“ gewählt. Cicely Saunders´ Hospiz war eine selbständige Einrichtung. Palliative Care wurde eine neue Abteilung an der Klinik, an der Balfour Mount tätig war. Dieser Unterschied ist auch heute noch tendenziell ein Unterscheidungsmerkmal. Hospize sind meistens eigenständige Einrichtungen; Palliativeinrichtungen sind an eine Einrichtung des Gesundheitswesens, im Allgemeinen an ein Krankenhaus angegliedert.

Die Entwicklung

… am Anfang…

Cicely Saunders´ Anliegen war es gerade nicht, eine neue Institution für Sterbende zu errichten, sondern sich in Praxis, Lehre und Forschung für eine gute Betreuung am Lebensende überall dort, wo Menschen sterben, einzusetzen. Mehr und mehr, mehr oder weniger, haben öffentliche Einrichtungen diesen Ansatz aufgenommen. Der neue Bereich wurde weltweit „Palliative Care“ genannt. In England blieb „Hospice“ eine eigenständige Einrichtung, die sich der Fachrichtung Palliative Care bedient und oft ein starkes Zentrum für stationäre Betreuung und Tagesbetreuung, für Betreuung zu Hause sowie für Lehre und Forschung ist. Solche Zentren haben durch Ehrenamt und verschiedene Aktionen auch eine Wirkung in die Gesellschaft hinein. Durch Offenheit und großzügiges Teilen von Wissen, Fertigkeiten und Haltungen leisten diese Zentren führende Arbeit für das Gesundheitssystem. In den meisten anderen Ländern sind ähnliche Zentren als Palliativzentren oder -abteilungen eher in größere Krankenhäuser oder Kliniken integriert.

… in den letzten Jahren….

So kam man überall dem Ziel näher, dass die Hospizidee und Palliative Care in allen vorhandenen Einrichtungen, sei es zu Hause, im Krankenhaus oder im Pflegeheim konkret umgesetzt und gesellschaftlich in Köpfen und Herzen von Frauen und Männern lebendig wurde.

Inzwischen ist Palliative Care an vielen Orten zu einem vitalen Querschnittsthema im Gesundheitswesen geworden.

Die Hospizbewegung ist weltweit und so auch in Deutschland und in Österreich eine gesellschaftliche Bewegung geblieben. Auf unterschiedlichen Ebenen gibt es Kooperationen mit Palliativeinrichtungen und zwischen den Fachgesellschaften.

In der konkreten Betreuung haben Hospizeinrichtungen in Deutschland und in Österreich eine hohe Kompetenz für die ehrenamtliche Begleitung, für Hospizteams.

Der Dachverband Hospiz Österreich fördert neben der ehrenamtlichen Betreuung auch die Lehre in der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung und qualitätsvolle Betreuung am Lebensende in der allgemeinen Palliativbetreuung durch Projekte wie HPCPH, HPC-Mobil, durch den Vorsorgedialog.

Palliative Care ist inzwischen im internationalen Sprachgebrauch nicht mehr nur auf das Lebensende begrenzt: Palliative Care ist ein Ansatz für Menschen, die aufgrund einer Erkrankung akut oder chronisch leiden. Nicht mehr die Prognose ist entscheidend, eher die Komplexität und die Schwere der Symptome. Der Einsatz ist flexibel, möglichst frühzeitig und synchron auch mit spezifischen Therapien, für alle, die sich in der krisenhaften Lebenssituation einer schweren Krankheit befinden.

Mit Hospice Care ist eher die Begleitung in der Sterbephase gemeint.

In Deutschland ist der Begriff Hospiz mit einem konkreten Betreuungsort, einer Einrichtung verbunden, in den USA mit spezialisierten Hauskrankenpflegediensten für Fragen, die sich am Lebensende stellen.

Die Zukunft

Thema des Welt-Hospiz-Palliativtags am 9. Oktober 2021 war: Leave no-one behind - equity in access to palliative care. Die WHO hat sieben Bereiche für besonderes Augenmerk identifiziert, um den Zugang zu Palliative Care gerecht zu gestalten, um niemanden zurück zu lassen: Alte Menschen; Kinder und Teenager; Frauen; Menschen, die von Armut betroffen sind; Menschen mit Behinderungen; Menschen, die sich der queeren Community zugehörig fühlen; gefangene Menschen.

Die Integration von Palliative Care als kulturwandelnder Kraft gelingt, wie wir von anderen Ländern wissen, nur langsam und der Energieaufwand dafür wird hoch bleiben. Denn Palliative Care redet von etwas, was wir Menschen immer haben, aber nicht wollen: Vom Umgang mit den Belastungen, die Krankheiten mit sich bringen können, und vom Sterben.

So ist es eine bleibende und vielleicht immer größer werdende Aufgabe, den guten Umgang mit dem Thema des Sterbens, mit dem verdrängten Thema des Leidens zu suchen – in der Gesellschaft und in den Einrichtungen, deren Auftrag es ist, Leiden zu lindern.

Das ist die verbindende Grundlage von Palliative Care und Hospizbewegung - bei allen Unterschieden, die sich geschichtlich und regional ergeben haben.

Die gelebte Verbindung gelingt immer durch Menschen, die dieses Verbindende im Blick haben.

Abschließende Gedanken

Klassifizierungen sind immer Versuche, Ordnung herzustellen. Wer braucht diese Ordnung, wem dient sie?

Für die Betroffenen bedeuten die Klassifizierungen nicht viel. Wichtig ist ihnen, dass sie als schwer kranke Menschen gut betreut oder als Angehörige gut begleitet sind, wo auch immer, durch wen auch immer.

Ich erinnere mich noch, wie befremdet eine Tochter über die Aussage war, ihre Mutter mit ihrer schweren Herzinsuffizienz sei nicht „palliativ“. Das war zu einer Zeit, als man über die palliative Betreuung von Menschen mit Herzinsuffizienz noch nicht viel wusste.

Wenn von „Palliativpatient:innen“ geredet wird, sollten wir uns immer bewusst sein, dass das eine wenig zutreffende Abkürzung ist. Eigentlich müssten wir sagen: das ist ein kranker Mensch, der gerade von Palliativversorgung einen Nutzen hat. Viele Menschen in den Einrichtungen des Gesundheitswesens haben von Palliativversorgung einen Nutzen. Im Sinne der Gerechtigkeit ist alles zu tun, damit dieses Betreuungskonzept ihnen zukommt, zu ihnen kommt, ihnen zugutekommt, als Palliativkonsiliardienst, als Mobiles Palliativteam, als Hospizteam. Vielleicht brauchen sie vorübergehend oder im Sterben auch eine Palliativstation oder ein Hospiz. In einem Punkt ist kritisch auf die Entwicklung in Deutschland zu schauen: Dort werden in stationären Hospizen UND in Pflegeheimen Menschen mit einem mehr oder weniger hohen Betreuungsbedarf und hoher Symptomlast am Lebensende betreut – die Übergänge sind oft fließend.  Das kann zu einer Leistungsungerechtigkeit führen. Der Aufenthalt im Hospiz ist für die Betroffenen kostenfrei, in der Pflegeeinrichtung ist ein Teil der Kosten selbst zu tragen. Folge: Die personell gut ausgestatteten stationären Hospize bieten für die Betroffenen beste Bedingungen zum Nulltarif gegenüber den Bedingungen in den personell schlechter ausgestatteten Pflegeheimen. Können wir in Österreich dieser Entwicklung noch vorbeugen?

In einem umfassenden Sinn bezeichnet ‚Hospiz‘ das Begleiten von Menschen in einer existenziellen krisenhaften Lebenssituation, wie es das Lebensende für den kranken Menschen und für seine An- und Zugehörigen ist. Der Hospizbewegung geht es nicht nur um Versorgung, sondern um nichts weniger als den Wandel der Gesellschaft hin zu einer caring community.

So gesehen sind Hospizeinrichtungen best-practice-Modelle für das Sterben in einer Institution, die auf freiwilligem bürgerschaftlichem Engagement für eine Kultur der Sorge basieren. Eine entsprechende Praxis ist nur möglich durch institutionell-organisationale Offenheit und Vernetzung. Mit der Kultur von Palliative Care bringen Palliativeinrichtungen auch den Hospizgedanken ins Krankenhaus – vielleicht mit einem Hospizteam als Ausdruck gelebter Praxis.

Palliative Care und Hospiz können daher wie Kreise verstanden werden, die sich manchmal überlappen, und manchmal konzentrisch ineinander stehen.

Palliative Care ist aus den Grundsätzen und den Anliegen der Hospizbewegung entstanden; Palliative Care braucht die Verwurzelung in der Hospizidee. Und die Hospizidee kann nur in die Zukunft wirken, wenn sie mit den Entwicklungen von Palliative Care mitgeht.

Zusammen sind die beiden stark. Sie können das Leben für schwer kranke und sterbende Menschen verändern.